Süddeutsche Zeitung Magazin 03.Mai.2012
von Paula Morandell
Halbe Portionen, voller Geschmack
Im Restaurant “Al Gallo Nero” wird dem Gast jede Annehmlichkeit bereitet. (Foto: SZ)
Der Gallo Nero in Starnberg ist ein angenehm zurückhaltendes, auf schöne Weise fast altmodisches Gasthaus.
Starnberg ist der Landkreis der Millionäre, und oft ist vergeblich darüber gerätselt worden, warum ausgerechnet hier kein Sterne-Restaurant existiert. Die zahlungskräftige Klientel wäre ja da, und sie hat – jedenfalls stellt unsereins sich so ein Millionärsleben vor – genügend freie Zeit, um in Spitzenlokalen ausgiebig zu tafeln. Aber im Distrikt er Reichen werden die Tester der roten Michelinbücher einfach nicht fündig
Das bedeutet keineswegs, dass sich an den Gestaden des Seenlandes nicht gut essen lässt. Ein Beispiel dafür ist das Restaurant AL GALLO NERO in Starnberg, gegenüber dem Bahnhof in einem gelb gestrichenen Hotel untergebracht. Der “Seehof” ist eine traditionsreiche Herberge aus der Zeit, als die Kleinstadt am Seeufer sich zur eleganten Sommerfrische entwickelte mit Eisenbahnanschluss und Dampfschiffbetrieb. Beschaulich flanieren lässt sich’s auf dem Bahnhofsplatz heute kaum noch, der “Seehof” hat keinen großzügigen Garten mehr wie einst, aber der Gallo Nero ist ein angenehm zurückhaltendes, auf schöne Weise fast altmodisches Gasthaus.
Keine lautstarken Pseudo-Verbrüderungen
Zum Schwarzen Hahn. Das ist ein stolzer Name, und tatsächlich wirkt die italienische Crew des stets gut besuchten Lokals immer so, als sei es Ehrensache, dem Gast jede Annehmlichkeit zu bereiten. Das geschieht zum Glück zurückhaltend, lautstarke Pseudo-Verbrüderungen zwischen Stammpublikum und “dem Luigi” oder “dem Gino” sind nicht üblich. Angefangen vom Gratis-Getränk an der Bar, wenn man auf den reservierten Tisch ein wenig warten muss, über den aufmerksamen Service, vom abends angenehm gedimmten Licht bis hin zu den Gerichten, die weiß beschürzte Kellner aus der im Souterrain gelegenen Küche herauftragen – Enttäuschungen sind selten im Gallo Nero. Nur wer ohne Reservierung speisen will, kann sie erleben: Freie Tische sind rar.
An dem, was auf die Tische kommt, gibt es kaum etwas zu bemängeln. Gut, man könnte sich über die etwas alberne Vorliebe mokieren, manche Gerichte mit einem mikadoähnlichen Gebilde aus knusprigen Spaghetti zu garnieren. Es kam außerdem, wenn man Salat bestellte, ungefragt der unvermeidliche, aber eben nicht immer passende Balsamicoessig auf den Tisch. Und hin und wieder war mal ein Rucolablatt welk.
Ansonsten überzeugten die Köche durchweg. Bei den Vorspeisen sollte sich an leichte Kost halten, wer danach mehr als einen Gang nehmen will – die Portionen sind üppig. Das helle Carpaccio vom Kalb ( 9,50 ) mit gehobeltem Parmesan und Pfifferlingen etwa schmeckte so sommerlich frisch, dass danach der Gedanke an die überall gängige Rindfleisch-Variante gar nicht mehr recht gefallen wollte.
Der Stolz italienischer Köche – Pasta
Eine schöne Pasta ist der Stolz italienischer Köchinnen und Köche, und das gilt auch im Gallo Nero. Figurbewusste Starnbergerinnen – von ihnen gibt es viele jeden Alters unter den Gästen – wählen die dankenswerterweise angebotene halbe Portion, etwa von deftigen apulischen Orecchiette mit Salsiccia (die halbe Portion 7,50 ) oder von den hausgemachten Tripoline mit betörend duftendem Basilikumpesto auf Genueser Art ( 8,50 ). Die ebenfalls frisch zubereiteten Ravioli mit Meerbarben-Füllung und Flusskrebsen waren mit einer leicht säuerlichen Tomatensauce benetzt (die halbe Portion 7). Auch auf Reis verstehen sie sich bestens, unten in der Kellerküche, was keine Selbstverständlichkeit ist. Der Risotto mit Krebsschwänzen und Pfifferlingen ( 11,50 ) gelang in perfekter Balance von bissfest und sämig.
Fisch als zweiter Gang kommt im Gallo Nero häufig vom Rost auf den Teller. Die Brasse lag genau so lange auf dem Grill, dass ihr Fleisch fest und vom Duft des Rosmarinzweigs durchdrungen war, ohne trocken zu sein ( 19 ). Auf dem Beilagentellerchen lagen dazu blanchierte Gemüse und eine kleine Portion süditalienische Caponata aus säuerlich abgeschmeckten Auberginen.
Kein effekthascherischer Sehen- und Gesehenwerden-Edelitaliener
Die sizilianische Kombination aus Tomate, Kapern, schwarzen Oliven als Aroma-Trio für Meeresgetier und Fleisch passte zum saftigen Filet vom Petersfisch ( 19,90 ) ebenso wie zum gewürfelten Lamm ( 14,90 ), dessen Sugo samt reichlich gutem Olivenöl gern mit Brot aufgetunkt werden durfte – die Kellner lächelten wissend und fanden das gar nicht ungehörig. Für das Manzo alla siciliana würzte der Koch zwei scharf angebratene Stücke von bestem Rindfleisch südländisch scharf mit Knoblauch und Peperoncino und bettete sie auf gegrilltem Radicchio aus Norditalien, eine gelungenes Zusammentreffen ( 14,50 ).
Für Gäste, die zum Abschluss in sich noch Platz für ein Dessert finden: Profiteroles al cioccolato sind die italienisch gehaltvolle Version von Windbeuteln ( 4,50 ), die Crema Catalana wurde mit köstlicher Mandelkruste serviert ( 3,90 ). Für einen abendlichen Spaziergang nach dem Mahl liegt einerseits die Seepromenade nicht fern. Andererseits muss man zunächst durch eine schäbige Unterführung, weil der Bahnhof Starnberg und See voneinander trennt. Für den stolzen schwarzen Hahn ist das gar nicht schlecht. Läge das Lokal auch noch am Ufer, verkäme es am Ende gar zum effekthascherischen Sehen- und Gesehenwerden-Edelitaliener.
AL GALLO NERO
Bahnhofsplatz 6
82319 Starnberg
Telefon 08151/2221
Geöffnet täglich von 11.30 bis 23 Uhr. Durchgehend warme Küche